Jede Lesung ist ein Fest.
So brachte Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller die Sache auf den Punkt, als sie sich mit einer Kritikerin unterhielt. Grund genug für die Weltlesebühne, in Sachen Fortbildung ein wenig nachzuhelfen …
Denn so wie Feste wollen auch Lesungen sorgfältig vorbereitet sein. Meine Rolle als Moderatorin entspricht, um im Bild zu bleiben, die der Gastgeberin. Ist die Einladung interessant formuliert, muss die Bestückung des Büffets geplant werden, sodass auch Veganer und Lactoseintolerante auf ihre Kosten kommen, die Sitzordnung sollte passen usw. Am Ende sorge ich selbstverständlich dafür, dass sich meine Gäste wohlfühlen. Als Moderatorin tue ich nichts anderes!
Ob die gründliche Vorbereitung auf meine Gesprächspartner oder die exakte Konzeption meiner Fragen – nicht zu vergessen Warm-up und Abmoderation! – alles will gelernt sein. Dass sich ein Gespräch am Ende ganz anders entwickeln kann, auch das sollte ich auf dem Schirm haben. Dann kommt mein Pannen-Set zum Einsatz! Ich selbst muss nur noch den Mut zum Improvisieren aufbringen. Es gibt Autoren, die reden nicht. Dann gibt es welche, die reden zu viel … Kurzum – es gibt Vieles zu beachten und zu lernen. Das, was mit Leichtigkeit daherkommt, ist in Wirklichkeit ein Knochenjob: die Moderation.
Dafür holte die Weltlesebühne als Veranstalter des Workshops „Raus mit der Sprache“, der endlich wieder in Präsenz in der wunderbaren Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel stattfand, Vollprofis als Dozentinnen. Maria Hartmann, Schauspielerin mit Standbein in Berlin und Spielbeinen sonstwo, sowie Claudia Kramatschek, die als Literaturkritikerin und Moderatorin sehr viel Handwerkszeug aus dem Köfferchen packte. Sich vorstellen, befragen, aufmerksam nachfragen, einbinden und das Gespräch inszenieren – die beiden brachten uns ganz schön zum Schwitzen!
Strukturiert und praxisnah ging es zur Sache, als wir sieben Übersetzerinnen und ein Übersetzer uns am Montagnachmittag in Schünemanns Mühle niederließen. Unsere Gruppe war bunt gemischt, sowohl was die Sprachen, als auch Alter und Erfahrungen anging, und wir fühlten uns schnell wohl miteinander. Zu Hause hatten wir Moderationen vorbereitet, mit denen wir uns und unsere Arbeit vorstellen sollten, unser Buch in der Hand. Im nächsten Schritt folgte die Einführung ins Werk einer Kollegin sowie ihre Präsentation im Zwiegespräch. Die Königsdisziplin war am Ende das Anmoderieren eines thematischen Panels (z.B. „Übersetzen: wieviel Worttreue darf sein?“) mit zwei Gästen wie auch einem Publikum im Stream. Heisst für uns, dass jetzt auch noch die Kamera Aufmerksamkeit will!
Claudia Kramatschek half bei Struktur und ganz praktischen Dingen. Wo ist mein Blick, wo sind die Hände? Welche Reihenfolge macht Sinn? Wie bereite ich meinen Gästen eine Bühne? Mein Autor nuschelt/ist nicht mitteilsam/betrunken – was kann ich tun? In der Tat Multitasking pur. Maria Hartmann machte unsere Stimme mit Körperübungen fit, steuerte Tricks aus der Dramaturgie bei und half uns beim Inszenieren unseres Auftritts auf die Sprünge. Der Erfahrungsschatz, den unsere Coaches im Gepäck hatten, war wahrlich Gold wert. Hinzu kam, dass ihr Feedback stets behutsam, wohlwollend und äußerst motivierend war.
Hochgradig inspiriert zogen wir acht Lehrlinge am Mittwochmittag aus der Mühle wieder aus. Trotz des anstrengenden Übe-Marathons hatten wir enorm viel gelernt. Nun bleibt nur eines – DO IT!
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Bundesakademie (Montag, 21 Februar 2022 09:46)
Vielen Dank für den schönen Text. Wir freuen uns auch sehr, dass Sie bei uns zu Gast waren und wir endlich wieder Präsenzkurse anbieten können :-)