Wie der Wind die Aufträge auf meinen Übersetzerinnen-Schreibtisch hereinweht, ist mir ein Rätsel. Mal weht er stärker, mal ist Flaute. Mal bringt er dies, mal das. Doch da ich nur aus einer Sprache übersetze, reise ich mit jedem Buch nach Schweden, und es ist ein Hauch von Urlaub, mich plötzlich inmitten schwedischer Landstriche, in Interieurs von roten Schwedenhäuschen und im prallen Svenssonleben wiederzufinden. Plätschernde Ruderkähne, Sonnenbad auf den Schäreninseln. Erdbeeren mit Sahne im Garten.
Stop! Cut. Zwar blühen hier vor dem Fenster die Kirschbäume, es zwitschert und grünt, und die Natur explodiert gerade an der schwäbischen Alb. Doch der Roman, über dessen Übersetzung ich gerade brüte, breitet ein anderes Szenario vor mir aus. Er spielt im Winter. Schauplatz Stockholm und Gotland. Es ist bitterkalt und meist stockdunkel. Meine Protagonisten frieren sich die Zehen ab und kämpfen sich mit hochgeschlagenen Mantelkragen durchs nordische Matschwetter. Und als wäre das noch nicht genug, kommt es noch schlimmer: Das Buch ist ein Weihnachtsroman. Ich mache eine Zeitreise in die letzten Tage vor dem Fest der Liebe, und mir begegnen auf 300 Seiten nur Lichterbögen, Weihnachtslieder, verkleidete Weihnachtsmänner mit verrutschten Bärten, Familienfeste unterm Tannenbaum, Last-Christmas-Romantik en masse.
Es hilft alles nichts, das ist der Job. Auch in diesen Text muss ich hineinkriechen, seine Stimmung aufspüren und mitschwelgen. Sonst wird es der Leser nicht tun. Meine kleinen Tricks: Eine Wortliste motiviert mich mit Weihnachtsvokabular, eine kleine Mindmap bringt mich in Stimmung für the most beautiful time of the year. Ich verschiebe die reine Übersetzungsarbeit auf die Mittagszeit, da wird es in meinem Arbeitszimmer von der Sonne so warm, dass ich die Jalousien sowie runterlassen muss. Und nun ist es fast so finster wie in Schweden! Flexibel sein, heißt die Devise. Während ich nun neben dem Sofa eine Kerze anzünde, mit meinen Figuren im Schneesturm in Visby friere und versuche, das weihnachtliche Gotland auch innerlich zu spüren, füllt sich Seite um Seite. Und siehe da: It’s beginning to feel a bit like Christmas!
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