Warum meine Aufenthalte in der wunderschönen und heimeligen Bundesakademie für kulturelle Bildung immer mit Extremwetter einhergehen, wüsste ich selbst gern. Aber auch wenn mir dies den Anflug nicht gerade leicht macht, ist es immer wieder beflügelnd, hier zu sein.
Diesmal war es das „Wolfenbütteler Gespräch“, das Literaturübersetzer*innen aus ganz Deutschland und über die Grenzen hinaus heranpilgern ließ, um zu lernen, sich auszutauschen, sich kennenzulernen und gemeinsam zu feiern. Genau dafür bin ich seit vielen Jahren Mitglied im VDÜ, dem Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen, der mich schon oft aus dem stillen Kämmerlein geholt hat und der nun zur Jahrestagung lud.
Mit einem inspirierenden Impulsvortrag als Auftakt brach die österreichische, preisgekrönte Schriftstellerin Raphaela Edelbauer eine Lanze für unsere Zunft. „Algorithmus, Bewusstsein und Übersetzung“ – was kann Künstliche Intelligenz wirklich – nicht! Als denkende Wesen sind wir in der Lage, aufgrund unserer Erfahrungen und unseres Empfindens eigene Worte zu finden, sind nicht angewiesen auf Wahrscheinlichkeitsrechnung und Algorithmus. Sprache ist so viel mehr als ein logischer Code, sie ist kreativ und individuell und spiegelt unsere Erfahrungen in der Welt. Welch eine Stärkung schon am Freitagabend!
Ein großer Anteil des eng getakteten Programms galt der Fortbildung, die in Form zweier Seminarblöcke am Samstag stattfand und zahlreiche Themenfelder beackerte. Als Übersetzerin meist am heimischen Schreibtisch festgenagelt sind diese Workshops, in denen der direkte Austausch mit Kolleg*innen möglich ist, jetzt wieder ganz in echt, ein unbeschreiblicher Gewinn, sie inspirieren und geben zu denken. In meinem Kopf schwirren jetzt Wortspiele wie die Motten im Licht und zahlreiche Autorentexte, die stilistische Fragen aufwerfen und auch beantworten. Vieles wird mich bei meiner Arbeit künftig begleiten, meine Gedanken noch lange kreisen lassen.
In der Begegnung sind die informellen Kolleg*innengespräche genauso wichtig, wie der offizielle Input. Denn so schaffen wir Querverbindungen unter uns, kleine Allianzen, ein Gemeinschaftsgefühl, das uns trägt, wenn wir allein an der Arbeit sind. Und auch dafür ist es so wertvoll, im VDÜ Mitglied zu sein.
Der letzte Programmpunkt in der schönen Wolfenbütteler Kommisse war das absolute Highlight: Buchpreisträger Saša Stanišič traf seine Übersetzerinnen ins Schwedische und Französische, und alle lasen aus den jeweiligen Texten, die - gespickt von Wortspielen und bewusst eingebauten Fehlern - den fremdsprachigen Kolleginnen so einiges abverlangten. Das war nicht nur überaus erhellend, sondern auch bereichend von der ersten bis zur letzten Minute.
Ich ziehe den Hut. Eine Sternstunde war das. Ganz großes Kino.
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