Im Literarischen Colloquium am schönen Wannsee weitet sich der Blick von allein. Wie passend, dass hier viele der Grundlagenseminare des Deutschen Übersetzerfonds stattfinden. Im Seminar „Zur Seite gesprungen“ setzen sich fünf Übersetzer*innen und fünf Lektor*innen an einen Tisch und diskutieren ihre Zusammenarbeit. Denn was vielen Leser*innen gar nicht bewusst ist: Unsere Übersetzungen werden nicht so gedruckt, wie wir sie abgeben.
Das Lektorat steht selten im Rampenlicht und wird noch weniger wahrgenommen als wir. Dabei ist seine Arbeit unverzichtbar: Mit einem frischen und unverstellten Blick den übersetzten Text in Augenschein zu nehmen und zu verbessern, ist ein sehr wichtiger Arbeitsschritt. Wenn jedoch Lektor oder Lektorin ins Spiel kommen, hat man bereits drei, vier, fünf Monate auf einem Text gebrütet und um manche Formulierung gerungen. Man ist – gelinde gesagt – sehr dünnhäutig. Dennoch möchte auch das Lektorat, das dem Text in der Regel sehr guttut, mit seinen Verbesserungsvorschlägen gehört und gewürdigt werden – somit ist Fingerspitzengefühl auf beiden Seiten gefragt.
Unter der Leitung zweier alter Hasen, des Übersetzers Andreas Jandl und der Lektorin Corinna Santa Cruz, zerpflückten wir nicht nur unsere eigenen Texte. Anhand von Texten deutscher Autor*innen und anonymen Übersetzungen eines englischen Originals analysierten wir Stimmen, fanden ein Vokabular, sie zu beschreiben. Auch das Lexikon der Schönen Wörter erinnerte uns an so wunderbare, leider in Vergessenheit geratene Wörter wie „Brosamen“ oder „nesteln“.
Was ganz besonders hilfreich war: das Handwerkszeug, das wir mit jedem Diskussionspunkt sammelten. Andreas Jandl gab unentwegt äußerst hilfreiche Tipps. So identifizierte er Demonstrativpronomen als „Dickerchen“ und warnte vor Nominalkonstruktionen, führte uns vor, wie empfindlich das Deutsche auf zu große Superlative, zu viele Wiederholungen oder zu hohe Verbdichte reagiert und erinnerte daran, dass der Bedeutungsschwerpunkt eines deutschen Satzes am Ende steht. Und netterweise zauberte er immer fantastische Lösungen aus dem Hut.
Gespickt mit Warnhinweisen und Wegzeichen fuhr ich heim, beglückt von schönen menschlichen Begegnungen, einem offenen Austausch in einem geschützen Raum und so viel nützlichem Input für meine Arbeit.
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